Frühjahrsversammlung des Historischen Vereins für den Niederrhein in Stolberg am 25. Mai 2002
In zweierlei Hinsicht war die Frühjahrsversammlung des Jahres 2002 schon von ihrer Planung her eher ungewöhnlich. Die Themen Technik-, Industrie- und Wirtschaftsgeschichte, die Gegenstand von Vortrag und Besichtigung des Vormittags der Vereinsversammlung darstellten, waren bislang (und zwar seit Gründung des Historischen Vereins vor 150 Jahren) sehr selten behandelt worden. Auch der den Nachmittag bestimmende Tagesinhalt gehörte einem Bereich an, der auf früheren Versammlungen nicht gerade häufig ausgewählt worden war. Es ging dabei nämlich – endlich einmal wieder – um örtliche evangelische Kirchengeschichte im nördlichen Rheinland. Die Teilnehmer waren sich der „Besonderheit“ der Thematik dieser Vereinsversammlung durchaus bewusst und kamen daher auch mit besonderen Erwartungen nach Eschweiler.
Um 10 Uhr wurde die Frühjahrsversammlung im Museum „Zinkhütter Hof“ eröffnet. Nach den Vereinsregularien folgte zunächst ein Vortrag mit dem Titel „Stolberger Industriegeschichte – ein Beispiel für Strukturwandel nicht nur in der jüngsten Zeit“. Referent war Dr. Hans-Joachim Ramm vom Unternehmensarchiv der Grünenthal GmbH. Anschließend fand eine sehr fachkundige Führung durch das Museum „Zinkhütter Hof“ statt.
Den sehr interessanten wirtschaftshistorischen Teilen des gut ausgearbeiteten Vortrages konnten alle Teilnehmer folgen, nicht aber den Abschnitten mit technikgeschichtlichem Inhalt. (Auch der Verfasser dieses Berichts bekennt offen, dass ihm Messing nur als Kupfer-Zink-Legierung bekannt war, von den Einzelheiten seiner Herstellung und den alten Galmeilagerstätten bei Stolberg hatte er aber noch nichts gehört). Durch die ausgezeichnete Museumsführung, an der auch der Referent Dr. Ramm als Koordinator teilnahm, wurde dann das nicht Verstandene klar. Vortrag und Führung zusammen stellten für die meisten Teilnehmer eine echte Horizonterweiterung ihrer historischen Kenntnisse dar.
Der Nachmittag war der Orts- und Kirchengeschichte des auch heute noch sehr malerischen Stolberg gewidmet. Zwischen den früheren Galmeimühlen und Kupferhämmern im Vichttal und dem erhaltenen Stadtteil von Stolberg zu Füßen der auf einem Kalkfelsen gelegenen, bereits mittelalterlichen Burg (einst Zentrum einer Jülicher Unterherrschaft) besteht ein unlösbarer Zusammenhang. Beide waren das Werk protestantischer Kupfermeister, die in den Religionswirren um 1600 die Reichsstadt Aachen verlassen mussten und die in Stolberg (wie im“Münsterländchen“ der Abtei Kornelimünster) Zuflucht fanden. Seither ist Stolberg konfessionell gemischt, wobei der reformierte Bevölkerungsanteil gegenüber dem katholischen und dem lutherischen wirtschaftlich und sozial dominant war.
Die Führung durch die beiden alten evangelischen Kirchen und über die Friedhöfe mit den Gräbern der bedeutendsten Kupfermeisterfamilien durch Pfarrer Dr. Gerd Rosenbrock war der unbestrittene Höhepunkt dieser Frühjahrstagung. Eingeleitet wurde diese Führung durch einen ausführlichen, ebenso wiessenschaftlichen wie anschaulichen und lebhaft engagierten Vortrag von Pfarrer Dr. Rosenbrock in der Vogelsangkirche, die als älteste lutherische Kirche im linksrheinischen Rheinland gilt.
Heinz Finger
Köln