Frühjahrsversammlung des Historischen Vereins für den Niederrhein in Wuppertal am 21. Mai 2005

Unter den Orten im nördlichen Rheinland, in denen in mehr als 150 Jahren noch nie eine Versammlung des Historischen Vereins stattfand, ist die Stadt Wuppertal der mit Abstand bedeutendste. Die Gründe für das bisherige Meiden der Bergischen Metropole als Tagungsort lagen bestimmt nicht in der Unkenntnis ihrer Bedeutung und nicht in einer Abneigung gegenüber großen Industriestätten, sondern (zumal im Denken früherer Jahre) in der Respektierung des „Kernlandes“ eines anderen regionalen Geschichtsvereins. Wuppertal galt offenbar – ebenso wie Solingen und Remscheid, wo ja bis heute (!) noch nie eine Versammlung unseres Vereins stattfand – als „Domäne“ des Bergischen Geschichtsvereins, unseres Schwester- und gelegentlich Konkurrenzverbandes. Die Zeiten haben sich geändert, und in diesem Punkte wird jeder sagen, dass der Wandel auch ein Fortschritt war.

Die Einladung nach Wuppertal erfolgte durch die Vorsitzende der Sektion Wuppertal des Bergischen Geschichtsvereins, durch Frau Dr. Sigrid Lekebusch, die seit 2003 dem Vorstand des Historischen Vereins für den Niederrhein angehört. Professor Jörg Engelbrecht hat also mit Recht 2004 in der Festschrift zum 150jährigen Bestehen unseres Geschichtsvereins festgestellt, „dass die weltanschaulichen Schlachten der Vergangenheit keine bleibenden Wunden hinterlassen haben“. So haben die Mitglieder des Historischen Vereins für den Niederrhein, der 25 Versammlungen in Köln und 16 in Düsseldorf abgehalten hat, sich mit großer Erwartung und Freude am 21. Mai 2005 zum ersten Mal in Wuppertal versammelt.

Das Programm dieser Frühjahrsversammlung war sehr deutlich zweigeteilt. Der Vormittag war dem Ortsteil Beyenburg gewidmet, der Nachmittag Wuppertal-Barmen. Der räumlichen Teilung entsprach die thematische Trennung. In Beyenburg ging es um das Mittelalter und die Frühe Neuzeit, in Barmen um die Industrialisierung und ihre sozialen Konsequenzen.

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden begann die Veranstaltung mit dem Vortrag „Einführung in die Geschichte der Kreuzherren“ von Pater Dirk Wasserfuhr OSC. Pater Wasserfuhr gab zunächst einen Abriss der allgemeinen Geschichte seines Ordens. Er erklärte in hervorragender Klarheit die Entstehung der niederländischen Kreuzherren, die ihren Ursprung im wallonischen Teil der alten Diözese Lüttich haben. Dieser heute noch blühende Kreuzherrenorden war ursprünglich eine von zahlreichen Kreuzbrüdergemeinschaften, die insgesamt anfänglich eine Zwischenstufe zwischen Mendikanten und Regularkanonikern einnahmen. Er stellte sodann ebenso verständlich wie fundiert die historische Entwicklung des Beyenburger Kreuzbrüderkonvents dar. Dieser wurde um die Wende des 13. zum 14. Jahrhundert als älteste Niederlassung dieses Ordens in den Grenzen der heutigen Bundesrepublik gegründet, zunächst ad domum lapideam (am Steinhaus) auf einem Berg in der Nähe der Siedlung Beyenburg. Schon 1304 bis 1307 wurde die Ordensniederlassung aber an den späteren Ort in die Wupperschleife verlegt. Stifter des Konvents waren die Grafen von Berg. Die Frage, ob die Grafen von Hückeswagen zuvor Grundherren in Beyenburg gewesen waren, wofür einige berechtigte Vermutungen sprechen, ist auf Grund der fehlenden Quellen nicht zu entscheiden. Das mit der Seelsorge in Beyenburg betraute Rektorat (später Pfarrei) des Ortes wurde mit dem Konvent verbunden, und diese Verbindung blieb bis zur Säkularisation (1802/03) stets erhalten. Konvents- und Pfarrvermögen waren jahrhundertelang so sehr miteinander vermengt, dass die Entflechtung des Grundbesitzes sich nach der Säkularisation so lange hinzog, bis der preußische Staat seit 1815 zu seinen Gunsten verfahren konnte und die Pfarrgüter weitestgehend einbehielt. Eine weit bedeutendere Folge der Verbindung von Konvent und Seelsorge lag in der Tatsache, dass Beyenburg im Gegenstatz zu den umliegenden Ortschaften – und vor allem zu der zum Amt Beyenburg gehörenden Hofesgemeinde Barmen – im 16. Jahrhundert katholisch blieb, obwohl dieses bergische Amt damals längerfristig an die lutherischen Grafen von Waldeck verpfändet war. Sehr bemerkenswert ist, dass die Beyenburger Pfarrei seit 1963 wieder von einem Kreuzherrenpater verwaltet wird und das mit der Berufung von P. Gerardus Petrus Vos zum Pfarrverwalter durch den Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings der Kreuzherrenorden nach mehr als 150 Jahren zum ersten Mal wieder in Deutschland Fuß fasste. Pater Wasserfuhr ging in seinem Vortrag sehr intensiv auf die künstlerische Ausstattung der Kirche (Patrozinium St. Maria Magdalena) ein, die 1485 erbaut und nach Bränden 1615 und 1678 Ende des 17. Jahrhunderts neu ausgestattet wurde. Danach fanden mehrmals grundlegende Restaurierungen statt.

Zwischen den beiden Vorträgen wurden die bei dieser Versammlung nicht zahlreichen Vereinsregularien behandelt. Der zweite Vortrag, gehalten von Prof. Dr. Jörg Engelbrecht, trug den Titel „Das Herzogtum Berg. Ein historischer Streifzug“. Professor Engelbrecht, zweifelsfrei der beste Kenner der bergischen Geschichte in der Frühen Neuzeit, informierte passend zum Versammlungsort Wuppertal über das niederrheinische Territorium, in dessen Zentrum die bis 1929 selbständigen Bestandteile dieses Stadtkonglomerats gelegen waren. Die besonderen Kennzeichen des Herzogtums Berg, seine einmalige konfessionelle Situation ohne Beeinflussung durch die sonst fast allgemeine Regel des cuius regio, eius religio und die ganz außergewöhnliche Intensität einer präindustriellen Gewerbedichte, kamen in seinem Vortrag äußerst prägnant zum Ausdruck.

Der Nachmittag begann mit einem halbstündigen Rundgang durch den historischen Siedlungskern von Beyenburg, der noch die Strukturen der alten Bergischen „Freiheit“ (Minderstadt) Beyenburg erkennen lässt. Dann folgte der zweite Teil des Tagungsprogramms mit der Besichtigung des Museums für Frühindustrialisierung und des Friedrich-Engels-Hauses in Wuppertal-Barmen. Das Museum, das die Epoche der Frühindustrialisierung für die gesamte Region des Bergischen Landes und nicht nur für Wuppertal darstellen will, versteht sich trotz zahlreicher dort ausgestellter Maschinen und Geräte nicht als Technikmuseum. Es ist vielmehr in der Hauptsache sozialgeschichtlich ausgerichtet. 1983 wurde es eröffnet, und zwar als erstes speziell den sozialen Folgen der Frühindustrialisierung gewidmetes Museum. Bei der Führung wurde der Umbruch zwischen Ancien Regime und Moderne mit seinen soziokulturellen und ökonomischen Verflechtungen sehr gut herausgestellt. Ebenso interessant war die Besichtigung des Engels-Hauses, eines der ursprünglich fünf Wohnhäuser der Familie Engels in Unterbarmen. Bei der auch diese Versammlung abschließenden Kaffeetafel wurden Verlauf und Inhalt der Tagung allgemein gelobt.

 

Heinz Finger

Köln

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