Herbstversammlung in Solingen-Gräfrath am 19. September 2012
Wie schon bei der Frühjahrsversammlung 2012 wurde auch für die Herbstversammlung des Jahres ein Ort gewählt, der noch nie Tagungsort des Historischen Vereins gewesen war. Gräfrath, das 1929 von Solingen eingemeindet wurde, hat wie Kranenburg, der Ort der genannten Frühjahrsversammlung, im späten Mittelalter große Bedeutung als Wallfahrtsort gehabt. Von besonderem historischen Interesse ist die Tatsache, dass Gräfrath – wie auch einzelne andere Wallfahrtsorte im nördlichen Rheinland – schon in der Frühen Neuzeit keineswegs eine überwiegend katholische Bevölkerung aufwies. Neben der kirchlichen Bedeutung ist in der Geschichte Gräfraths auch die für die historische Erforschung der Industrialisierung hervorzuheben. Die Vereinstagung hat beiden Aspekten Rechnung getragen.
Auf den Beginn der Versammlung um 10.15 Uhr mit der Begrüßung durch den Vorsitzenden Professor Dr. Leo Peters und den Vereinsregularien folgten zwei Vorträge. Tagungsraum war der Vortragssaal des Deutschen Klingenmuseums, das sich an der Stelle der ehemaligen Konventsgebäude der Gräfrather Augustinerchorfrauen befindet. Der erste Vortrag befasste sich mit der Geschichte eben dieses Frauenstiftes St. Marien. Referentin war Frau Dr. Ulrike Spengler-Reffgen, die schon bei der Herbstversammlung des Jahres 2008 in Emmerich einen von allen sehr gut aufgenommenen, dem damaligen Tagungsort gewidmeten Vortrag gehalten hat. Das Thema diesmal lautete: „Reich an Wundern und Reliquien. Die Geschichte des Gräfrather Stiftes St. Marien bis zu seiner Auflösung“. Der hervorragende Vortrag stützte sich auf eigene Veröffentlichungen der Referentin und auf die Arbeit von Cornelia Herbers „Die Mirakelberichte des ‚monasterium S. Mariae‘ in Gräfrath“ (Libelli Rhenani, Bd. 18). Schwerpunkt des Vortrags war neben den Mirakeln und der Wallfahrt auch die Frühgeschichte des Stifts. Bei größter wissenschaftlicher Genauigkeit waren die Ausführungen von Dr. Spengler-Reffgen stilistisch ausgezeichnet formuliert und allgemein verständlich.
Dieser doppelte Vorzug sprachlicher wie inhaltlicher Art galt auch für den zweiten Vortrag, den Frau Dr. Beate Battenfeld hielt, unter dem Titel „Messer, Seide und Pfefferminzbonbons. Die wirtschaftliche Entwicklung Gräfraths seit dem 18. Jahrhundert“. Während im 18. Jahrhundert in Gräfrath das Kleineisengewerbe, insbesondere der Messermacher, dominierte, entstanden in den sogenannten Gründerjahren während des Kaiserreichs in den Außenbezirken von Gräfrath neue Industrieanlagen, und zwar Webereien ebenso wie die Produktionsgebäude der durch ihre Pfefferminzbonbons berühmten Schokoladenfabrik Hillers.
Am Nachmittag fanden zwei Führungen statt, die inhaltlich mit den beiden Vorträgen des Vormittags korrespondierten. Frau Spengler-Reffgen führte durch die ehemalige Stiftskirche und durch die mit ihrer geschlossenen alten Bausubstanz eindrucksvolle kleine Altstadt. Die sachkundige Führung durch das Deutsche Klingenmuseum gab sehr detaillierte Einblicke in das überaus traditionsreiche Solinger Schmiedehandwerk. Den Abschluss der Herbstversammlung bildete um 16.30 Uhr eine gemeinsame Kaffeetafel im Bistro des Hotels Gräfrather Hof.
Köln,
Heinz Finger