Frühjahrsversammlung des Historischen Vereins
am 18. Mai 2019 im Gemeindesaal von St. Severin/ Köln

Um 10.00 begann die Versammlung mit der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Vereins, Dr. Norbert Schloßmacher, der feststellte, dass sich der Verein das erste Mal in seiner Geschichte in St. Severin traf. Im Anschluss gedachte der Verein seiner Verstorbenen, insbesondere der Mitglieder, deren Tod seit der letzten Frühjahrsversammlung bekannt geworden war, und würdigte insbesondere Prof. Dr. Rudolf Schieffer sowie das langjährige Vorstandsmitglied und ehemaligen Archivar der Stadt Aachen Dr. Thomas Kraus.

Im Anschluss legte der Schatzmeister Dr. Ulrich Helbach den Kassenbericht für das Jahr 2018 vor, danach wurde der Prüfbericht vom 7. Mai 2019 durch die Kassenprüfer Gregor Hannapel und Hermann Josef Scheidgen vorgelesen, in dem eine ordnungsgemäße Rechnungslegung attestiert wurde. Auf Antrag durch ein Vereinsmitglied wurde der Vorstand entlastet (die Vorstandsmitglieder enthielten sich, alle anderen stimmten der Entlastung zu).

Als nächstes standen die Vorstandwahlen an. Der Ehrenvorsitzende Prof. Peters übernahm die Wahlleitung. Er gab die Bereitschaft des bisherigen Vorstandes zu seiner erneuten Kandidatur wieder; der durch den plötzlichen Tod von Herrn Dr. Kraus frei werdende Vorstandsposten soll zunächst unbesetzt bleiben. Die Aufgabe des Schriftführers übernimmt nun Herr Dr. Schrömbges, nachdem Frau Dr. Gisela Fleckenstein, die diese Aufgabe bisher wahrgenommen hatte, beruflich nach Speyer gewechselt ist. Bereits zuvor hatte ihr der Vorsitzende für ihr Engagement gedankt, ebenso für ihre Bereitschaft weiterhin im Vorstand tätig sein zu wollen. Der Vorstand wurde bei Enthaltung durch die bisherigen Vorstandsmitglieder einstimmig wiedergewählt. Anschließend wurden Gregor Hannapel und Prof. Hermann Josef Scheidgen erneut als Kassenprüfer gewählt. Der Ehrenvorsitzende Prof. Peters übergab daraufhin das Wort wieder an Dr. Norbert Schloßmacher, der im Namen des gesamten Vorstandes für das Vertrauen der Vereinsmitglieder dankte.

Anschließend wurde berichtet, dass der Verein derzeit 508 Mitglieder habe. Der Band der Annalen 220 (2018) habe pünktlich ausgeliefert werden können, der Band 221 (2019) sei in Vorbereitung durch Herrn Dr. Olaf Richter für den Aufsatzteil und Herrn Dr. Wolfgang Schaffer für den Rezensionsteil und werde wieder ein interessante Bandbreite von Epochen und Themen bieten. Zudem wurde auf den dieses Jahr erscheinenden Sonderband zu den kurkölnischen Residenzen von Prof. Dr. Klaus Militzer hingewiesen, der voraussichtlich auf der Herbstversammlung am 14. September 2019 in Mönchengladbach-Rheydt vorgestellt werden wird. Neben der Herbstversammlung wurde auch auf die diesjährige Studienfahrt nach Speyer vom 16.–18.7.2019 hingewiesen, die ebenfalls mit einem interessanten Programm aufwarten kann und für die noch Plätze frei sind [Anm.: wegen zu geringen Interesses musste die Studienfahrt leider abgesagt werden].

Im Unterschied zu den sonstigen Versammlungen begannen die Führungen durch die Kirche St. Severin bereits um 11.00, weil nachmittags eine Taufe stattfand.

Die Führungen übernahmen Dr. Gabriele Dom-Oepen und Dr. Joachim Oepen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Frühjahrsversammlung teilten sich hierzu in zwei Gruppen auf. In den Führungen gab es Einblicke in den aufwändig restaurierten Kirchenraum von St. Severin, bei dem man nun den Sandstein weitgehend ohne farbliche Fassung belassen, wohl aber die Säulenkapitelle in Rot und Gold gestaltet hat, wobei die Ausstattung der Kapitelle zum Altarraum hin immer aufwändiger wird. Die Teilnehmer erfuhren von einem ehemaligen Triumphkreuz, dessen Anbringung man aufgrund von geflickten Stellen im Mauerwerk vermuten kann, sahen ein Steinmetzzeichen, das durch die Restaurierung nun wieder zu sehen ist. Betrachtet wurden insbesondere die Abendmahlsretabel des Bartholomäus Bruyn, die aufgrund einer unter Malerei liegenden Inschriften, die durch Röntgenaufnahmen wieder sichtbar gemacht werden konnte, dass die Retabel in das Jahr 1548 zu datieren ist, was sie zu einem besonderen Zeugnis in den Auseinandersetzungen der Reformationszeit macht. Im Altarraum durfte man – ganz mittelalterlich – unter dem Schrein des Hl. Severin herschreiten, was besonders spannend war, nachdem man erfahren hatte, dass die im Schrein ruhenden Gebeine von einem etwa 60 Jahre alten Mann stammten, der um 400 verstorben war und aus dem linksrheinischen Gebiet oder aus Bayern kam, also romanisierten Gebieten. Damit könnte es sich hier wirklich um den in der Zeit um 400 in Köln wirkenden Bischof handeln, dessen Name auf eine Abstammung aus einer römischen oder einer romanischen Familie deutet. Vom Chorgestühl aus dem 13. Jahrhundert aus konnte man die 20 Tafeln des Severinzyklus bewundern, die im Chorraum angebracht sind.

Eine weitere Station war der archäologische Bereich unter dem heutigen Kirchenbau, wo mithilfe von Schautafeln und natürlich den archäologischen Überresten selbst, die Anfänge St. Severins als Grabkapelle in einem bereits aus römischer Zeit stammenden Gräberfeld, über den karolingischen Bau, sowie eine ottonische Confessio unter dem Grab des Bischofs bis hin zum heuten Kirchbau nachvollziehbar gemacht wurden. Besonders spannend war auch der Blick auf die Textilien, in die die Gebeine des Hl. Severin seit Jahrhunderten gebettet gewesen waren, und die man 1999 bei der Öffnung des Schreins entnommen und anschließend untersucht und restauriert hatte. Äußerst kostbare Stoffe aus dem 6. bis 10. Jahrhundert, Seiden u. a. aus dem heutigen Syrien, die über jüdische Händler nach Europa verbracht wurden, hatte Erzbischof Wichfried 948 seinem verehrten Vorgänger Severin gestiftet, um dessen Gebeine würdevoll aufbewahren zu können. Bei dieser Gelegenheit wurde auch eine ältere, offenbar nicht mehr gut erhaltene Holzkiste durch eine neue ersetzt.

Mit vielen Eindrücken und neuen Erkenntnissen verließen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Kirche und gingen in eine typische Kölner Lokalität, die alte Brauerei, um ein umfangreiches und schmackhaftes Mittagessen zu sich zunehmen, das eine gute Grundlage für die Vorträge des Nachmittages bot.

Den Anfang machten Dr. Ulrike Spengler-Reffgen und Dr. Helga Giersiepen von der Bonner Arbeitsstelle des Projektes „Deutsche Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit bis 1650“, die derzeit die Kölner Inschriften bearbeiten – ein Großprojekt, das auf vier Bände angelegt ist –, mit dem Vortrag „In pvblicv aspectv hominvm? Kölner Inschriften des Mittelalters und der frühen Neuzeit“. In einem ersten Teil ging es um Inschriften allgemein, die nicht nur dann vorliegen, wenn Schrift in Stein eingearbeitet wurde, sondern, wenn sie in Metall getrieben oder gegossen wurde (z. B. bei Glocken), in Metall (wie bei Email), aber auch wenn sie in Textilien gearbeitet wurde (sei es beim Weben oder durch Stickerei). Zum Wesen von Inschriften gehört auch, dass sie auf Dauerhaftigkeit angelegt sind, dass sie in der Regel in einem öffentlichen Raum sichtbar sind, dass sie der Selbstdarstellung dienen, dass sie formal-ästhetisch gestaltet werden und letztlich über das Zusammenwirken von Schrift, Text und Material funktionieren. In Köln umfasst der bisher bekannte Bestand von Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit vor 1650 derzeit etwa 1800 Inschriftenträger, von denen viele aber nicht mehr im Original erhalten sind, sondern als Abschriften vorliegen, z. B. in so bekannten Sammlungen wie Alfter oder Gelenius, oder als Fotografie. Im zweiten Teil des Vortrages wurden einige Beispiele vorgestellt, wie die Fotografie eines Abklatsches der Weiheinschrift, die sich in der 1009 geweihten Stephanskapelle befand. Diese Fotografie hatte Dr. Helga Giersiepen vor einigen Jahren angefertigt – aufgrund eines Wasserschadens ist aber der ganze Karton nicht mehr nutzbar, so dass die moderne Fotografie heute die einzige Überlieferung der im Original verlorenen Inschrift darstellt, die aber wohl nicht bereits im Umfeld der Weihe 1009 angefertigt wurde, sondern erst zur Erinnerung an diese im 12. Jahrhundert – darauf deuten die Schriftformen der Buchstaben hin. Derlei Detektivarbeit wird in Bezug auf die Kölner Inschriften immer wieder zu leisten sein. Weitere Informationen finden sich unter https://www.inschriften.uni-bonn.de/; zahlreiche der erschienenen Inschriftenbände (z. B. Bonn, Essen, Lemgo) liegen nicht nur in gedruckter Form vor, sondern können auch digital eingesehen werden, die Bände bieten übrigens nicht nur die Texte der Inschriften in Originalsprache, sondern auch in Übersetzungen: http://www.inschriften.net/.

Einem Thema des 20. Jahrhunderts widmete sich der Vortrag von Klaus Keywan Münster: „Rückkehr unerwünscht. Leben und Werk Benedikt Schmittmanns im Kontext von akademischer Opposition im Rheinland 1933–1945“. Der 1872 geborene Schmittmann stammte aus einer Kaufmannsfamilie und studierte in Rom, Freiburg, Leipzig und Bonn u. a. Kulturwissenschaften und Jura. Er trat gleich in mehrere studentische Verbindungen ein, so dass er ganz unterschiedliche Netzwerke knüpfte. Er widmete sich u. a. als Leiter des Wohlfahrtswesens der Rheinischen Provinzialverwaltung der Sozialpolitik und wurde 1919 aufgrund seiner Verdienste und Praxiserfahrung auf eine Professur für Sozialpolitik an die Universität zu Köln berufen. Geprägt von einem christlichen Grundverständnis, nach dem die christliche Liebe ein Leitmotiv jeder Politik sein müsse, entwickelte er politische Konzepte, die das Wohlfahrtswesen betrafen, aber auch den Aufbau des Deutschen Reiches berührten und eine Auflösung der preußischen Zentralmacht vorsahen. Auch dies brachte ihn in Konflikt mit den Nationalsozialisten und bereits im Frühjahr 1933 wurde er in sogenannte Schutzhaft gestellt, zudem wurde er mit einem Lehrverbot belegt. Obwohl er danach zurückgezogen lebte, aber eben nicht emigrierte – was ihm nicht nur von den Machthabern, sondern auch seinen Freunden nahegelegt worden war – wurde er am 1. September 1939 verhaftet, nach Sachsenhausen verbracht, wo er am 8. September 1939 verstarb, nachdem er u. a. durch Tritte misshandelt worden war. Obwohl Schmittmann dem akademischen Umfeld zuzurechnen ist, kann er nicht einer akademischen Opposition zugerechnet werden, wie überhaupt das LVR-Projekt keinen konsistenten akademischen Widerstand gegen das NS-Regime nachweisen kann, sondern ganz unterschiedliche Formen, denen auch die Behörden sehr unterschiedlich begegneten.

Mehr zum Projekt finden Sie unter:

Widerstand im Rheinland 1933-1945 - LVR

Widerstand und Opposition im Rheinland 1933-1945 - Portal Rheinische Geschichte

Beschlossen wurde die Frühjahrsversammlung mit einem Kaffeetrinken in einem netten Café zwischen Severinstorburg und Ulrepfore.

Andrea Stieldorf, Bonn

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