Frühjahrsversammlung des Historischen Vereins für den Niederrhein am 21. Mai 2022 in Geldern
Der Vorsitzende Dr. Norbert Schloßmacher eröffnete die Sitzung und gab seiner Freude Ausdruck, dass erstmals seit der Herbsttagung auf Schloss Rheydt am 14. September 2019 wieder eine Mitgliederversammlung und eine Tagung stattfinden können. Er dankt der Archivarin der Stadt Geldern Dr. Yvonne Bergerfurth für die Vorbereitungen, der Stadt Geldern, der Gesellschaft Mespilus - Gesellschaft zur Förderung des Stadtarchivs Geldern und der Karnevals-Kultur-Gesellschaft Geldern für die Unterstützung bei der Durchführung der Tagung. Dr. Schloßmacher gedachte der Verstorbenen, insbesondere der verstorbenen früheren Vorstandsmitglieder Prof. Dr. Wilhelm Janssen, Prof. Dr. Gisbert Knopp und Dr. Dieter Kastner. Dr. Schloßmacher wies darauf hin, dass der Verein während der Pandemiezeit mit dem Digitalformat ‚Neues vom Niederrhein‘ neue Wege beschritten habe und dankte Frau Prof. Dr. Stieldorf für Vorbereitung und Durchführung. Der Vorstand habe während der Pandemiezeit sechs Mal per Videokonferenz getagt. Die Edition der Annalen habe der Brill-Verlag übernommen; er dankte Frau Susanne Richter, die berufsbedingt aus dem Redaktionsteam ausgeschieden ist. Im Anschluss an den Kassenbericht wurde der Bericht der Kassenprüfer verlesen und dem Vorstand einstimmig Entlastung erteilt. Die Anhebung der Mitgliedsbeiträge wurde begrüßt, der Beschluss aus formalen Gründen auf die Herbsttagung vertagt. Der Vorsitzende dankte den ausscheidenden Vorstandsmitgliedern Dr. Olaf Richter und Dr. Sigrid Lekebusch für die hervorragende und verlässliche Mitarbeit im Vorstand. Abschließend wurde der neue Vorstand gewählt: Dr. Norbert Schloßmacher (Vorsitzender), Dr. Paul Schrömbges, Dr. Ulrich Helbach, Prof. Dr. Andrea Stieldorf, Dr. Wolfgang Schaffer, Dr. Gisela Fleckenstein, Dr. Yvonne Bergerfurth, Prof. Dr. Michael Rohrschneider, Keywan Klaus Münster. Die Gewählten nahmen die Wahl an.
Die Tagung vor einem vollbesetzten Auditorium - mit Gästen der Gesellschaft Mespilus und des Historischen Vereins für Geldern und Umgegend - eröffnete Prof. Dr. Leo Peters mit einem Vortrag Der rheinische Adel in Zeiten des Umbruchs – am Beispiel des Grafen und Marquis Clemens Wenzeslaus von und zu Hoensbroech (1776-1844). Peters verwies auf die Lebenszeit des Grafen, die aus der Zeit des Alten Reiches über die Zeit der Französischen Herrschaft bis in die Preußische Zeit reichte. Clemens Wenzeslaus entstammte einer weitverzweigten niederrheinischen Adelsfamilie, wuchs in einem behüteten katholischen Milieu auf und erhielt seine Ausbildung an den Universitäten in Wien und Regensburg. 1796 wurde er nach dem plötzlichen Tod seines Vaters Familienoberhaupt. 1801 heiratete er Alexandrine Freiin von Loe, nach deren überraschendem Tod 1806 heiratete er 1809 Eugenie Gräfin von Schaesberg. Clemens Wenzeslaus‘ großes Bemühen galt während der verschiedenen Herrschaftswechsel der Sicherung des Familienvermögens. Clemens Wenzeslaus übernahm unter allen drei Landesherren zahlreiche Ämter, die seinem Stande entsprachen, wies jedoch auch mehrere Angebote auf Übernahme weiterer Funktionen zurück. Er nahm an der Kaiserkrönung Napoleons persönlich teil, durfte 1804 Napoleon und 1814 Zar Alexander I. auf Schloss Haag begrüßen und trug als Leiter der geldrischen Delegation 1814 Kg. Friedrich Wilhelm III. in Paris die Bitte um Übernahme der Landesherrschaft vor. 1821 verlegte er seinen Wohnsitz nach Köln, wo er 1844 verstarb. Peters dankte der Gesellschaft Mespilus für die Aufnahme der Biographie über Clemens Wenzeslaus in die Reihe ‚Geldrisches Archiv‘.
Den zweiten Vortrag hielt Gabriele van Krimpen zum Thema Wie sah die Industrialisierung einer Kleinstadt aus? Die Textilproduktion in der Stadt Geldern im 18. und 19. Jahrhundert. Ausgehend von der Situation Gelderns im 19. Jahrhundert als Kleinstadt im ländlichen Raum legte van Krimpen die diversen Gründungen kleinerer Fabriken im Ortskern dar. Die textilverarbeitende Industrie ging zurück auf das Jahr 1739, als die Wollweberfamilie Metzges nach Geldern zog und im Manufakturbetrieb an 4 Webstühlen 26 Arbeitskräfte beschäftigte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts gab es weitere Gründungen von kleinen Textilfabriken, von denen die Firma Roeffs besonders zu erwähnen ist. Produktion und Verkauf unterlagen sehr stark den konjunkturellen Schwankungen und der allmählichen Mechanisierung der Produktion. Van Krimpen wies auf die konfessionelle Trennung der Kleinstadt hin, die sich auch bei der Anstellung von Arbeitskräften und dem Vertrieb von Waren bemerkbar machte. In der zweiten Jahrhunderthälfte entwickelten sich auch in Geldern mechanische Webereien, die zum Rückgang der Handweberein und zum Verlust zahlreicher Arbeitsplätze führten. Die Errichtung einer Ortskrankenkasse scheiterte an der Armut und dem Rückgang der Beschäftigtenzahl in der Textilverarbeitung. Die ehemaligen Textilfabriken stellten ihre Produktion auf andere Waren wie Tabak und Zigarren, Knöpfe, Schuhe oder Kleinmetalle um. Die beiden letzten Textilfabriken schlossen 1956 (Nettesheim) und 1968 (Roeffs).
Nach dem gemeinsamen Mittagessen führte Gerd Halmanns, Vorsitzender des Historischen Vereins für Geldern und Umgegend, in einem ca. zweistündigen Rundgang durch Geldern und erläuterte an markanten Punkten die bewegte Geschichte der Stadt. Kaffee, Kuchen und angeregte Unterhaltungen beendeten die Frühjahrsversammlung 2022.
Paul Schrömbges