Bericht über die Herbstversammlung des Historischen Vereins für den Niederrhein am 29. Oktober 2022 in Duisburg


Stadtplan Duisburg von Johann Corputius (1542-1611) aus dem Jahr 1565/66

Der Vorsitzende Dr. Norbert Schloßmacher begrüßt zur Mitgliederversammlung in den Räumen des Historischen Zentrums Duisburg - Zentrum für Erinnerungskultur die 15 anwesenden Mitglieder, insbesondere den Ehrenvorsitzenden Prof. Dr. Leo Peters. Er bedauert zahlreiche, auch kurzfristig eingegangene Absagen. Der Vorsitzende bittet die Anwesenden, sich von den Plätzen zu erheben und gedenkt im Besonderen des am 4. Juli 2022 verstorbenen Ehrenvorsitzenden Prof. Dr. Heinz Finger.

Der Vorsitzende berichtet, dass die Druckfreigabe des Annalen-Bandes erfolgt sei und die Auslieferung im Dezember erfolgen werde. Schatzmeister Dr. Ulrich Helbach trägt den aktuellen Kassenstand vor und berichtet, dass der Verein acht persönliche Mitglieder verloren habe, darunter fünf verstorbene. Man sei bemüht, die Veranstaltungen des Vereins kostenneutral zu gestalten. Digitale Formate seien erprobt worden und hätten sich bewährt. Allerdings seien persönliche Begegnungen und Erkundungen vor Ort auf Dauer nicht verzichtbar. Die Entlastung des Vorstandes erfolgt einstimmig. Dr. Helbach schlägt eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge vom 1. Januar 2023 an vor, und zwar für Erwachsene von 21 €/p.a. auf 30 €/p.a. und für Studierende von 10 €/p.a. auf 15 €/p.a. Die Mitgliederversammlung stimmt ohne Aussprache einstimmig zu.

Der Duisburger Stadtarchivar Dr. Andreas Pilger referierte anschließend zum Thema: Wiederaufbau und Stadtplanung Duisburg 1945 bis 1964. Nach Kriegsende ging es in der stark zerstörten Innenstadt zunächst um Erhalt und Erneuerung der städtischen Infrastruktur. Die Nachkriegskonzepte der Stadtplaner, Politiker und Architekten gestalteten die Altstadt dann jedoch völlig neu, zumal die Kriegszerstörungen die nötigen ‚Freiräume‘ für ambitionierte städtebauliche Projekte schufen. Die Idee der autogerechten Stadt setzte eine Priorität im Verkehrswegeausbau. 1956 begann der Bau der Nord-Süd-Trasse, mit der Schwanenstraße wurde eine breite Schneide durch die Altstadt geschlagen, fortgesetzt mit dem Kuhtordurchbruch und dem Ausbau der Steinschen Gasse mit einem aufwändigen Fußgänger-Tunnelsystem 1964. Der Turm der kriegszerstörten Liebfrauenkirche wurde abgerissen, die Überreste in die Karmelkirche einbezogen, und die Kirche 1961 am König-Heinrich-Platz in unmittelbarer Nähe des Landgerichtes, des Stadttheaters und der Mercatorhalle (Neubau 1962 für die kriegszerstörte Tonhalle) neu errichtet. Die in den 1950er Jahren stark ansteigende Einwohnerzahl verlangte umfänglichen Wohnungsbau. Eine Hochhausbauzone wurde geplant, jedoch nur das Calderoni-Hochhaus errichtet. Ziel war der Stadtplanung war es, ‚Symbole der Urbanität‘ zu errichten. Dazu zählten die Neubauten der Sparkasse, des Lehmbruck-Museums und des Merkur-Kaufhauses. Nach der defensiven Architekturphase des Erhalts in der Nachkriegszeit setzte mit dem wirtschaftlichen Aufschwung seit den 1950er Jahren eine Phase des Abrisses und der Neukonzeption ein. Mit Beginn der Kohlekrise begann ein Umdenken, der geplante Ratshausneubau wurde 1965 nicht mehr realisiert. Nach dem Ende der Weltwirtschaftskrise in den 1970er Jahren begann eine Wiederbelebung der Großbauprojekte bis Ende der 1990er Jahre. Heute ist Duisburg eine schrumpfende Großstadt, deren urbane Infrastruktur nur mit Mühen aufrechterhalten werden kann.

Dr. Dennis Beckmann vom Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg stellte sodann das karthografische Werk des berühmtesten Sohnes der Stadt Duisburg vor, Gerardus Mercator (geb. Gheert Cremer, 1512-1594). Mercator, der in Löwen Kosmografie bei Gemma Frisius studierte und dort an der Erstellung von Erd- und Himmelsgloben beteiligt war, wechselte 1552 auf Einladung von Herzog Wilhelm dem Reichen an die neue gegründete Universität nach Duisburg. Dr. Beckmann stellte Mercators Gesamtwerk vor (kartografische, historische und theologische Studien) und erläuterte anschaulich die Anforderungen an die Erstellung von Globen und Karten, bei der Mercator eine wegen ihrer Winkeltreue für die Seefahrt bis heute gültige Projektion entwickelte (die Weltkarte für die Seefahrt von 1569 in 21 Blättern). Zu Mercators Mitarbeitern zählte auch Johannes Corputius, der 1566 auf der Grundlage genauer Vermessungen den ersten Stadtplan Duisburgs aus der Vogelperspektive drucken ließ. Die Mercator-Sammlung des Kultur- und Stadthistorischen Museums Duisburg ist digital einsehbar (www.stadtmuseum-duisburg.de).

Nach der Mittagspause wurde die Tagung mit einem geführten Besuch des Stadtmuseums Duisburg und der Mercator-Schatzkammer und einem gemeinsamen Kaffeetrinken im Außenbereich(!) des traditionsreichen Café Dobbelstein beschlossen.

Paul Schrömbges

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