Bericht über die Frühjahrstagung des Historischen Vereins am 22. April 2023 in Zons
Zons. Kolorierter Kupferstich von Georg Braun und Franz Hogenberg, 1575
Der Vorsitzende, Dr. Norbert Schloßmacher, begrüßt 36 Mitglieder und freut sich, dass der Verein nach 1989 zum zweiten Mal in Zons zu Gast sein dürfe. Anlass sei das 650. Anniversarium der Verleihung der Stadtrechte an Zons. Der Vorsitzende gedenkt 12 verstorbener Mitglieder, die Anwesenden erheben sich von den Plätzen. Dr. Schloßmacher berichtet, dass der Vorstand im Berichtszeitraum drei Mal in den Räumen Historischen Archivs des Erzbistums Köln getagt habe. Die 226. Ausgabe der Annalen sei in Vorbereitung. Die Beitragserhöhung habe keine Austritte zur Folge gehabt. Schatzmeister Dr. Helbach informiert über den Kassenstand. Die Kassenprüfer stellen keine Monita fest. Der Vorstand wird einstimmig entlastet. Dr. Helbach informiert, dass die Mitgliederzahl weiterhin leicht rückläufig sei und derzeit 480 betrage. Danach schließt der Vorsitzende die Mitgliederversammlung.
Dr. Karl Emsbach, langjähriger Archivar des Rhein-Kreises Neuss, referiert anschließend zur Zonser Ortsgeschichte bis zum Ende des Ancien Régime. Einleitend stellt er einige der insgesamt 12 etymologische Varianten zur Erklärung des Namens ‚Zons‘ vor, die insgesamt wenig überzeugend sind. Erste Spuren einer Besiedlung stammen aus römischer Zeit mit einem Gräberfeld aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhundert n. Chr. und römischen Grabbeigaben. Von einer dauerhaften Besiedlung ist nicht auszugehen. Zons wird erstmals urkundlich erwähnt im so genannten Testament des Bischofs Kunibert von Köln aus der Mitte des 7. Jahrhunderts, das jedoch nur in zwei nicht identischen Kopien aus dem 11. Jahrhundert erhalten ist. Die Kopien weisen zudem einige Anachronismen auf. Im Burgbereich wurden bei Ausgrabungen in den 1980er Jahren Fundamente von drei oder vier Kirchbauten nachgewiesen, die als Eigenkirchen aus der Zeit vom späten 8. bis ins 14. Jahrhundert zu betrachten sind. Mit Beginn des 11. Jahrhunderts ist die Entwicklung einer landesherrschaftlichen Struktur der Kölner Erzbischöfe anzunehmen. Dr. Emsbach wies dann auf die ‚Königin von Zons‘ hin - Königin Richeza von Polen aus dem lothringisch-rheinischen Geschlecht der Ezzonen, Enkelin Kaiser Otto II., Nichte Kaiser Otto III, verheiratet mit König Mieszko II. von Polen und Mutter König Kasimir I. von Polen –, die nach ihrer Rückkehr aus Polen sich etwa zehn Jahre lang in Zons aufgehalten haben dürfte. Das castrum in Zons wurde im Kontext der Schlacht von Worringen 1288 zerstört. 1372 verlegte der Kölner Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden den Rheinzoll von Neuss nach Zons, die Errichtung der Burganlage mit einer in der Anlage befindlichen Burg (Friedestrom) begann unmittelbar. Am 20. Dezember 1373 wurden Zons die Stadtrechte verliehen. Neuss verlor infolge der Neugründung seine Zollfreiheit. 1388 trat Herzog Wilhelm von Jülich seine Rechte als Vogt von Zons an das Erzbistum ab. Damit war für die folgenden Jahrhunderte bis zum Ende des Ancien Régime die finanzwirtschaftliche Bedeutung von Zons gefestigt. Die Feste besteht aus einer 1.100 m langen Stadtmauer mit vier Türmen und zwei Toren. Der Burgbau wurde 1388 vollendet. Die Burg nimmt etwa ein Sechstel der Stadtfläche ein. 1463 verpfändete Erzbischof Dietrich II. von Moers aufgrund der hohen Kosten der Soester Fehde die Einnahmen von Stadt und Amt Zons an das Kölner Domkapitel. Die Verpfändung blieb bis 1794 bestehen. Im 17. Jahrhundert setzte aufgrund mehrerer Stadtbrände, von Überflutungen, Besatzungen und Epidemien ein schleichender Prozess des wirtschaftlichen und demographischen Niedergangs ein. Zum Beginn der ‚Franzosenzeit‘ hatte Zons ca. 1000 Einwohner.
Dr. Stephen Schröder, Leiter des Archivs des Rhein-Kreises Neuss, referierte im Anschluss über das Werden der „Fremdenverkehrsstadt“ Zons von den Anfängen im späten 19. Jahrhundert bis zum Ende der Weimarer Republik. Dr. Schröder weist darauf hin, dass Zons derzeit etwa 400.000 Besucher jährlich aufweist, die Einordnung in eine umfassendere Geschichte des Tourismus aufgrund der fehlenden Forschungsergebnisse nicht möglich ist. Die Entwicklung des Naherholungstourismus beruht auf einer entsprechenden verkehrlichen Anbindung, von Werbung und einer angemessenen Gastronomie. 1904 wurde Zons die Führung der Bezeichnung Stadt und eines eigenen Wappens verliehen, nicht zuletzt Ergebnis einer touristischen Entwicklung im 19. Jahrhundert. 1835 wird Zons erstmals mit vier Zeilen im Baedeker-Reiseführer erwähnt, in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ist der Ort ein häufig gesuchtes Motiv der Düsseldorfer Malerschule. In den 1890er Jahren sind erste touristische Aktivitäten feststellbar, als die ersten Schiffsverbindungen von Düsseldorf nach Zons (1894) aufgenommen wurden. Eine Zugverbindung gab es nur bis zum 3,5 km entfernten Dormagener Bahnhof. Die im Kreisarchiv hinterlegte, von Jürgen Alef besorgte Sammlung historischer Postkarten vermittelt die Eindrücke des touristischen Werbeansatzes von Zons als mittelalterliche Idylle: ‚Rheinisches Rothenburg‘ (Paul Clemen 1895). Unter Bürgermeister Nikolaus Kohl (1900-1909) wurde der Tourismus wesentlich ausgeweitet: Künstlertreffen, Schul- und Vereinsbesuche nahmen zu, in Zons wurde ein Verkehrs- und Verschönerungsverein gegründet (1904) und Stadtführungen organisiert (1910), Restaurierungen an der Stadtmauer vorgenommen. Der Baedeker rühmte Zons 1899 als ‚besterhaltenes Beispiel einer mittelalterlichen Befestigung‘. Der Ort entwickelte ganz überwiegend Angebote für den Tagestourismus (17 Gaststätten), die Übernachtungskapazitäten blieben gering (18 Betten 1929). Die Postkarten weisen eine bürgerliche Gesellschaft vorwiegend aus dem rechtsrheinischen Gebiet aus, die den Besuch einer mittelalterlich befestigten Stadt rühmen. Der Erste Weltkrieg und die anschließende Besatzungszeit unterbrachen den Tagestourismus. 1932 zählte man in Zons wieder rund 200.000 Besucher. 1929 feierte Zons anlässlich der 25jährigen Stadterhebung ein groß angelegtes Stadtfest, 1935 wurde die Freilichtbühne angelegt.
Am Nachmittag führten Archivare des Kreisarchivs die Mitglieder in zwei Gruppen sowohl durch das an der Stelle eines zu Beginn des 19. Jahrhunderts niedergelegten Franziskanerklosters neu errichtete Kreisarchiv (Eröffnung 2022) als auch durch die Burg Friedestrom einschließlich der Besteigung von zwei Türmen, die großartige Blicke auf die Landschaft des Niederrheins erlaubten.
Vor der Burg Friedestrom
Im Lesesaal des Archivs des Rhein-Kreises Neuss
Fotos: Klaus Keywan Münster