Bericht über die Frühjahrsversammlung am 25. Mai 2024 in (Pulheim-)Brauweiler


Vortragsveranstaltung im Äbtesaal

Der Vorsitzende begrüßte die ca. 30 Teilnehmenden im Äbtesaal der ehemaligen Benediktinerabtei Brauweiler, die vor genau 1000 Jahren gegründet wurde, namentlich die Referenten sowie Frau Dr. Carla Lessing, Leiterin des Archivs des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), als Vertreterin des Gastgebers.

Die Anwesenden erhoben sich zum Gedenken an die verstorbenen Mitglieder:

Es verstarben:
Dr. Gertrude Lückerath
Prof. Dr. Hansgeorg Molitot
Prof. Dr. Ernst Heinen
Prof. Dr. Günther Buhlmann

Der Vorsitzende bedankte sich bei den anwesenden Vereinsmitgliedern und zeigte sich erfreut darüber, dass die Tagung des Historischen Vereins für den Niederrhein Teil des groß angelegten Jubiläumsprogramms ist.

Bereits zum vierten Mal kam der Verein in seiner nunmehr 170-jährigen Geschichte in Brauweiler zusammen; erstmals im Jahre 1896, dann 1934 und zuletzt 1975, vor einem knappen halben Jahrhundert, als der damalige Vorsitzende, Prof. Dr. Eduard Hegel, 153 Gäste willkommen heißen konnte.

Nach einem Hinweis darauf, dass die Geschichte Brauweilers wiederholt in Beiträgen der Annalen thematisiert wurde und auch ein Band der Sonderveröffentlichungen der Annalen zum Thema Totengedenken (erschienen 2012) sich diesem Ort widmet, dankte der Vorsitzende der Schriftleitung der Annalen, Prof. Dr. Andrea Stieldorf und Dr. Wolfgang Schaffer. Band 226 (2023) konnte rechtzeitig im Dezember des vergangenen Jahres an die Mitglieder verschickt werden.

Nach einem Hinweis auf die Herbstversammlung, die am 26. Oktober in Wassenberg stattfinden find, übergab der Vorsitzende das Wort an den Schatzmeister:

Der Finanzbericht zu 2023 weist Einnahmen von 22.851 € und Ausgaben von € 18.221 aus. Demzufolge ergab sich ein Überschuss von 4.630 €. Der Kassenstand betrug am 31. Dezember 2023 21.623 €. Das ist das Resultat der jüngst erfolgten Anpassung der Mitgliederbeiträge und sichert dem Verein den nötigen Handlungsrahmen. Die Kassenprüfung erfolgte am 25. April 2024 und ergab keinerlei Beanstandung. Aktuell sind 19.409 € vorhanden, der Mitgliederstand beträgt 119 institutionelle und 330 persönliche Mitglieder (zus. 449).

Der erste Vortrag war der knapp 800-jährigen Geschichte der Abtei Brauweiler gewidmet. Referent war P. Dr. Marcel Albert OSB aus Gerleve, der den Bogen von der Gründung im Jahre 1024 durch Pfalzgraf Ezzo und seiner Frau Mathilde, der Tochter Kaiser Ottos II. und seiner Frau Theophanu, bis zur Säkularisation der Abtei im Jahre 1802 spannte. Der ausgewiesene Kirchen- und Ordenshistoriker entwarf dabei ein instruktives Panorama, das einerseits deutlich machte, dass Brauweiler nie in die Reihe der Reichsabteien vorstoßen konnte, der Ort andererseits für die Region von allergrößter Bedeutung war. Dies gilt insbesondere seit dem 15. Jahrhundert, als auch Brauweiler der Bursfelder (Reform-)Kongregation beigetreten war. Unter dem 51. und letzten Abt, Anselm Aldenhoven (gewählt 1778), begann der Bau neuer repräsentativer Abteigebäude, die zusammen mit der früheren Abtei- und heutigen Pfarrkirche (St. Nikolaus und Medardus) das Bild der weiträumigen Anlage dominieren.

Hermann Daners, Studiendirektur a. D., der ausführlich zur Geschichte der früheren Abtei, insbesondere während der NS- und der unmittelbaren Nachkriegszeit geforscht und publiziert hat, referierte zu einem langezeit vergessenen Kapitel der Geschichte des Ortes, nämlich seiner Rolle als Displaced Persons (DP) Camp in den Jahren 1945-1950. Nachdem die Gebäude der aufgelösten Abtei Brauweiler während der so genannten Franzosenzeit als "Bettler-Depot", anschließend unter den Preußen vornehmlich als "Arbeitsanstalt" und in der NS-Zeit zudem als Gestapo-Gefängnis und Konzentrationslager gedient hatten, wurden seit März 1945 frühere Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie Kriegsgefangene, überwiegend aus Polen und Italien, in Brauweiler untergebracht. Geschildert werden die problematische Unterbringung und Versorgung von zeitweise mehreren tausend Menschen, Gewaltdelikte in und um das Lager, die unterschiedlichen Strategien seitens der Verantwortlichen, von der zunächst zwangsweisen dann freiwilligen Rückkehr der DPs in die jeweiligen Heimatländer bis hin zum "resettlement"-Programm, das eine Emigration in aufnahmebereite Drittländer ermöglichte, sowie die Tatsache, dass zuletzt vornehmlich studierende DPs in Brauweiler lebten. Der brillante, von eindrucksvollen Bildern unterstützte Vortrag hinterließ ob der auch aktuell weiterhin weltweiten Flüchtlingsproblematik viel Nachdenklichkeit.

Dr.Wolfgang Schaffer, bis März d.J. Archivleiter des LVR und Autor zahlreicher einschlägiger Untersuchungen, referierte die Geschichte des Ortes während der letzten Jahrzehnte und verwies dabei auf das unlängst von ihm herausgegebene Buch mit dem Titel "Von der Arbeitsanstalt zum Kulturzentrum". Nach der endgültigen Schließung des DP-Camps im Jahre 1950 wurden die Liegenschaften dem Provinzialverband Rheinland (ab 1953 LVR) übergeben, der mit der Gründung einer Arbeitsanstalt an alte Traditionen anknüpfte. Auch für weitere Gruppen von Menschen außerhalb der "Norm" entstanden neue Einrichtungen: die Palette reichte von "Trinkerheilanstalt" (im benachbarten Freimersheim) über "Frauenheim" und Männer-Altenheim zum "Schwererziehbarenheim", das auf dem nahegelegenen Dansweiler Hof untergebracht war. Die Strafrechtsreform von 1969, die u.a. Praktiken wie "Korrektion" und "Nachhaft" abschaffte, führte zur Schließung vieler Einrichtungen; in Brauweiler wurde aus der Arbeitsanstalt ein Landeskrankenhaus für Suchtkranke, das allerdings nach nur einem Jahrzehnt wegen unhaltbarer, wiederholt skandalisierter Zustände, nicht zuletzt aufgrund des Mangels an geschultem Personal geschlossen wurde. Der sich anschließende Wandel zum LVR-Kulturzentrum gilt als beispielhaft: Heute sind u.a. das Archiv des LVR, das Archiv- und Fortbildungszentrum und das Amt für Denkmalpflege in den historischen Gebäuden bzw. auf dem Areal der früheren Abtei untergebracht und sorgen für die Sichtbarmachung der 1000-jährigen Geschichte des Ortes.

Nach einer Mittagspause traf sich die Gruppe zu einer fast zweistündigen ausgesprochen sachkundigen Führung, beginnend mit den in den 1780 Jahren durch den Koblenzer Architekten Nikolaus Lauxen entworfenen Barockbauten, deren Kaisersaal ein besonderer Blickfang ist. Vorbei am jüngst angelegten Kräutergarten, der an klösterliche Traditionen anknüpfen möchte, und dem berühmten Maulbeerbaum wurde die romanische Kirche in ihrer Architektur und Ausstattung ausführlich beschrieben. Detailliert kam der Figurenschmuck zur Sprache,, wobei insbesondere auf den reichen Kapitellschmuck des 12. und 13. Jahrhunderts in Kirche und Kreuzgang hingewiesen wurde. Dem Kreuzgang bzw. seinen beiden verbliebenen Flügeln sowie dem von dort aus zugänglichen Kapitelsaal mit seinen bedauerlicherweise nur noch teilweise enthaltenen Wandmalereien galt ein besonderer Schwerpunkt der Ausführungen. Der Gang endete in einer zum Jubiläum erstellten kleinen aber sehenswerten Ausstellung mit bemerkenswerten - heute auf zahlreichen Orten verstreuten - Stücken aus der Klosterbibliothek und dem Klosterarchiv , die die "Schriftlichkeit" und die "Gelehrsamkeit" der einstigen Abtei dokumentieren.

Bei Eis, Kaffee und Kuchen und einem Blick auf den von der Sonne beschienenen Eingangstrakt des barocken Prälaturflügels endete eine harmonische, lehrreiche Frühjahrsversammlung des Historischen Vereins für den Niederrhein.


Neu angelegter Kräutergarten

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